Hermann Cohen

Der Vater war als Kantor der jüdischen Gemeinde und als Lehrer der dazugehörigen Schule tätig. Seine Mutter trug als Händlerin von Hüten und Modeartikeln zum Lebensunterhalt bei. Zunächst erhielt der junge Hermann Privatunterricht von seinem Vater bis er 1853 auf das Gymnasium in Dessau wechselte. Cohen dürfte einer der ersten jüdischen Schüler auf diesem Gymnasium gewesen sein. Nebenbei erhielt er vom Vater Unterweisungen in das jüdische Schriftgut. Auf Wunsch des Vaters wechselte Hermann 1857 auf das neugegründete jüdische theologische Seminar nach Breslau.

Die Schüler wurden hier schwerpunktmäßig auf die Arbeit als Religionslehrer und Rabbiner vorbereitet. Im Jahre 1861 begann Cohen ein Studium der Philosophie und der Philologie an der königlich - preußischen Universität zu Breslau. Im Mittelpunkt dieses Studiums stand die säkulare Philosophie.

Doch um später die Berechtigung zum Abschluß eines wissenschaftlichen Studiums zu erlangen, war es zunächst notwendig, daß Cohen das Abitur ablegte. Dies tat er 1864 am St. Matthias-Gymnasium in Breslau. Nach dem Ablegen des Abiturs, setzte er sein Studium ab 1864 an der Humbold Universität in Berlin fort. Hier erhielt er Anregungen für seine Doktorarbeit und machte Bekanntschaft mit Heymann Steinthal, der sein Mentor und Förderer wurde. 1865 reichte Cohen seine Dissertation mit seinem Promotionsgesuch in Halle ein. Noch im selben Jahr erlangt er den Doktortitel. Nach seiner Promotion verbleibt Cohen noch für mehrere Jahre in Berlin. Er beschäftigt sich mit den Lehren Kants und verfaßt mehrere Aufsätze, die in entsprechenden Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. In dieser Zeit versucht Cohen mehrmals die Lehrberechtigung an einer Hochschule zu erlangen.

Erst 1873 gelingt ihm die Habilitation in Marburg, 

mit Unterstützung seines Freundes und Gönners Friedrich Lange. Cohen geht an die Marburger Universität, an der er die nächsten 40 Jahre arbeiten wird. Zunächst hat er noch keinen Lehrstuhl inne, doch 1876 erhält er nach Langes Tod dessen Ordinat, hier begründet er die Marburger Schule. Er setzt sich weiterhin mit den Lehren Kants auseinander und unterrichtet den “kritischen Idealismus”. Mit seinen Lehren zog der charismatische Professor immer mehr Schüler aus dem In- und Ausland an. Cohen engagierte sich außerdem stark für die Integration der Juden in die Gesellschaft des Wilhelminischen Reiches. Dabei kam er immer wieder mit der jüdischen Religionsphilosophie in Berührung. 

Seit 1904 gehörte Cohen dem Kuratorium der “Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums” in Berlin an. Diese Lehranstalt war 1869 von Steinthal konzipiert worden und hatte sich zum Ziel gesetzt, die Wissenschaft des Judentums in akademischem Rahmen zu betreiben. Nachdem Cohen bereits mehrere Jahre intensiven Einfluß auf die Geschäfte der Anstalt genommen hatte, siedelte er schließlich 1912 nach Berlin um und der Unterricht und die Forschungsarbeit im Bereich der Religionsphilosophie wurden zum Zentrum seines Schaffens.

Ab 1892 erkrankt Cohen an Netzhautablösung. Mit dem Fortschreiten der Krankheit übernimmt seine Frau Martha die er 1878 heiratete, in zunehmendem Maße die Lese und Schreibarbeiten ihres Mannes. Sie wird ihm dadurch zur unentbehrlichen Helferin.

Am 04. April 1918 verstarb Cohen in Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Berlin - Weißensee und ist vollständig erhalten.

Auch wenn Cohens Werk in der Weimarer Zeit wenig rezitiert und im Dritten Reich völlig ignoriert wurde, haben doch Weiterentwicklungen seiner Lehrstücke die Philosophie der Folgezeit wesentlich geprägt. Doch in den letzen Jahren kam es zu einer neuen Aneignung der Probleme der Cohenschen Philosophie und breiter Forschungstätigkeit. Bislang hat auch in Coswig Cohen wenig Aufmerksamkeit gefunden. Weder sein Geburtshaus, noch das Grab seiner Mutter, die 1873 in Coswig verstarb, sind erhalten. Das Geburtshaus, das sich in der Domstr. 6 befand, erhielt zum Gedenken an den berühmten Sohn eine Inschrift. Diese Tatsache ist durch alte Fotos belegt. Im Jahre 1983 wurde das Haus jedoch abgerissen. Elf Jahre nach dem Tod Cohens stellte ein unbekannter Spender die Mittel zur Herstellung einer Hermann Cohen - Plakette zur Verfügung. Die Plakette, die aus Bronze gegossen wurde, erhielt die Inschrift:

Hermann Cohen

Erneuerer der Idee im Sinne Platons und Kants

Professor der Philosophie

an der Universität Marburg

1872 - 1912. Geb. 4.7.1842 in Coswig, gest. 4.4.1918 in Berlin.

Die Gedenktafel wurde unter Anwesenheit von Cohens Witwe am 30. September 1929 feierlich im Rathaus enthüllt. Hier konnte man sie jedoch nur wenige Jahre besichtigen, denn in den 30 iger Jahren verschwand sie sang und klanglos.

Er selbst blieb seiner Heimatstadt ein Leben lang verbunden auch wenn er sie nach dem Tod der Mutter und dem Umzug des Vaters nach Marburg nicht mehr besuchte. In seinem Testament bedachte er Coswig mit 10.000,- Mark. Die Zinsen des Betrages sollten verwendet werden um Kindern von Arbeitern oder Lehrern das Studium zu ermöglichen. Außerdem sollten weitere 500,- Mark dazu genutzt werden, das Grab der Mutter zu erhalten und zu pflegen. Das Testament sollte, nach Cohens Willen, erst nach dem Tod seiner Frau in Kraft treten. Martha Cohen wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort. Das Testament hatte weder zu Nationalsozialistischen noch zu DDR - Zeiten Bedeutung. So kam es, daß man in Coswig erst im Herbst 1997 durch die Veröffentlichung von Unterlagen aus dem Hessischen Stadtarchiv in Marburg auf die Erbschaft aufmerksam wurde. Dies sollte für die Coswiger ein Grund sein, sich auf die fast vergessene Persönlichkeit des Philosophen Hermann Cohen zu besinnen und ihn als Sohn der Stadt Coswig entsprechende Anerkennung zukommen zu lassen.

Erste Schritte in diese Richtung wurden schon getan, als Ende des Jahres 1992 mit der Eröffnung des neuen Kulturzentrum “Klosterhof Coswig” in den Räumen des Museums eine Sonderausstellung zum Leben Hermann Cohens gezeigt wurde. In Zusammenarbeit mit der Universität Marburg konnte so eine übersichtliche Ausstellung zu dem großen Lebenswerk des international bekannten Philosophen einer breiten Masse vermittelt werden. 1997 begannen dann weitere kleine Forschungstätigkeiten einzelner Interessierter zu dem Thema Hermann Cohen, deren Ziel es ist, in Zusammenarbeit mit dem Gymnasium eine neue kleine Ausstellung zu erarbeiten und die vorliegende Schrift zu veröffentlichen.

Quellen:

Cohens Werke - eine Übersicht (PDF)

 

Sammlung Museum Stadt Coswig (Anhalt)

Sammlung und Recherchen

Pfarrer i.R. Lindemann Vorsitzender Hermann Cohen Gesellschaft Coswig e.V.

Georg Olms Verlag Hildesheim

Hermann Cohen Gesellschaft

Franz Orlik.M.A. 3552 Wetter

Hermann-Cohen-Archiv der Universität Zürich

Prof. Dr. A. Strauss, Chapel Hill, North Corolina, USA

Elwert`sche Verlagsbuchhandlung Marburg 1918

Verlag von Strecker und Schröder, Stuttgart 1924

“Hermann Cohen - Kantinterpret Begründer der “Marburger Schule” Jüdischer Religionsphilosoph”

Schriftenreihe zur Cohen - Ausstellung in der Universitätsbibliothek Marburg 1992

 

Links:

Die Juden in Coswig