Das Amtshaus
Im 16. Jahrhundert war Coswig im Besitz des Fürstenhauses und wurde als ?Amt? von fürstlichen Beamten verwaltet. Der oberste Mann im Amt wurde als ?Amthauptmann? bezeichnet. Nach Luthers Thesenanschlag führten die anhaltinischen Fürsten den evangelischen Glauben ein und übernahmen die Klostergüter in den Städten und Dörfern. Das Nonnenkloster hinter der Nicolaikirche wurde zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. Von diesem Zeitpunkt an führte man die Bezeichnung ?Amtshof? ein. Nach dem 30-jährigen Krieg wurden in Coswig zahlreiche Baumaßnahmen durchgeführt (z.B. Wiederaufbau des Schlosses), welche positive Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben und die Bautätigkeiten hatten. 1703 entstand auch das Amtshaus und nähert sich somit seinem stolzen, 300-jährigen Jubiläum. Es diente dem Coswiger Ökonomie-Amtmann als Wohnung, aber auch Amts- und Diensträume befanden sich bereits damals darin. Zur Bauzeit kann das Gebäude als ein wahrhaft herrschaftliches, fast fürstliches Palais dargestellt worden. Seine Lage, die Größe und die äußere Gestaltung lassen Fragen zur Bedeutung des Amtmannes gerade in dieser Zeit aufkommen.Überall im Lande setzte sich nun der Absolutismus durch, was zur Folge hatte, dass der städtische Adel geschwächt wurde. Die Städte wurden einem Vereinheitlichungsprozess unterworfen, das Gerichts- und Verwaltungswesen wurde gestrafft und auf den Herrscher zugeschnitten. Diese Politik machte sich auch im Bauwesen bemerkbar. Es wurden prunkvolle Schlossbauten errichtet, Symmetrie und zentrale Eingangsportale kennzeichneten die Bauwerke. Das Amtshaus, welches länger, breiter und höher als das Rathaus war, symbolisierte mit seiner zentralen Lage zwischen Kirche und Rathaus die Macht des Fürstenhauses. Der Straßeneingang befindet sich in der Mitte und alle wichtigen Räume sind zur Straßenseite hin ausgerichtet. Außerdem hat es eine sehr große Eingangshalle. Der Grundriss war von barocker Klarheit. Auch die weitere Gestaltung des Gebäudes entsprach der Richtung des Amtmannes. Hinter dem Amtshaus befand sich auf dem jetzigen Gelände des Klosterhaies der Amtshof, die fürstliche Domäne der Herrschaft, um 1800 Fürstin Friederike. Der Amtshof, die Domäne, bestand aus einer Reihe von Gebäuden, wie Ställen, einer Meierei, ein großes Magazin und Scheunen. 1805 kommt es zu der Auflösung der fürstlichen Domäne. Von nun an befinden sich unter anderem verschiedene Leiter der Coswiger Justizbehörde im Haus. Dieser Wechsel der Zeit zieht auch bauliche Änderungen mit sich. Der Straßeneingang wurde verschlossen und es wurde eine Trennwand im Treppenhaus errichtet. Die Hofeinfahrt wurde geschlossen. Ab 1858 begann die Industrielle Nutzung des westlichen, größeren Teiles des Domänengrundstückes mit der Errichtung einer Tuchfabrik und danach einer Papierfabrik, in der Tapeten, Zeitungspapier, Holzmahlpapier und Briefumschläge hergestellt wurden. Ihren Höhepunkt fanden die Umbauten in der Änderung des Mansardendaches 1863, da bei einem Kirchturmbrand ein Teil des Daches zerstört wurde. Das Dach hatte nun eine flache Satteldachform. Das Amtshaus war nun kein barockes Stadtpalais mehr, sondern ein dem Ideal der klassizistischen Epoche angepasstes Gebäude. Aus dieser Zeit (Klassizismus, Biedermeier) stammen einige wertvolle Tapeten, Bemalungen und Innentüren, die während der Bauarbeiten entdeckt und gesichert wurden. Um 1900 wurde das Amtshaus an den Fabrikanten Louis Fiedler verkauft. Er führte die Fabrik bis 1927 weiter. Es wurden erneut Umbauten vorgenommen. Ohne Respekt vor der barock-klassizistischen Fassadengliederung wurden üppige Verzierungen an die Fassade gebracht, welche das Familien- und Landeswappen darstellten. 1913 wurde das Treppenhaus getäfelt. Nach dem Tod Fiedlers bewohnte seine Frau das Haus noch bis in die zwanziger Jahre. 1933-1937 befand sich eine Abteilung des Anhaltischen Arbeitsdienstes im Gebäude, es gehörte nun dem Land. Ab 1937 kam es zu einem schrittweisen Umbau zum Mehrfamilienhaus. In DDR-Zeiten wurde das Amtshaus durch die kommunale Wohnungsbaugenossenschaft bzw. Gebäudewirtschaft verwaltet. 1962 wurden die Verzierungen an der Fassade entfernt und 1967 Wohnungen im Dachgeschoss ausgebaut. Von 1980-1997 blieben einige Wohnungen zeitweise unbewohnt. Nach 1990 wurde das Gebäude offiziell durch die Stadt Coswig (Anhalt) übernommen. Bereits 1992 fanden erste Überlegungen zur Sanierung und Modernisierung des Bauwerkes Amtshaus statt. Bereits 1996 begannen die Planungen für die umfassende, schrittweise Sanierung, im September 1997 zog der letzte Mieter aus.Ziel der Umbaumaßnahmen war neben der baulichen Sanierung eine Umnutzung des ehemaligen Amtshauses im Ämterhaus der Stadtverwaltung, gleichzeitig wurde für die städtische Bibliothek ein neues Domizil im Dachgeschoss geschaffen, das wir vor fast einem Jahr den Bürgern unserer Stadt zur Verfügung stellen konnten. Bei allen Maßnahmen galt es, denkmalrechtliche, brandschutztechnische und statische Belange in Einklang zu bringen. Die Umbaumaßnahmenwurden im Jahre 2001 abgeschlossen. Seit Juli 2001 beherbergt das Amtshaus neben der Bibliothek auch das Amt für Territoriale Entwicklung und das Amt für Ordnung und Soziales der Stadt Coswig (Anhalt). Textauszüge: Artikelserie M. Kühlewind "Vom alten zum modernen Coswig" aus dem Jahre 1937