Die Malerin Caroline Bardua
Coswig liegt an der Elbe, hat ein schönes, altes Schloß, nahe am Ufer des Stromes. Zwei Verwandte des herzoglichen Hauses, die Fürstin von Zerbst und ihre Schwester, die Prinzessin Christine von Sondershausen, beide hochbetagt, hatten dort ihren Witwensitz...
In Coswig lebten viele vergnügte Leute- das Städtchen stand in dem Ruf, im Anhaltischen das fröhlichste zu sein. Während des Winters spielte man Komödie, im Sommer ging man spazieren. Die Familien taten sich zusammen und hielten Picknicks im Freien. Man wanderte nach Wörlitz, nach dem Hubertusberg. Ein näheres Ziel war der Luch, ein lieblicher, stiller Platz, der schon zu Luthers Zeiten bekannt gewesen und von diesem, seiner vielen Singvögel wegen, "unseres lieben Herrgotts Vogelbäuerlein'' genannt worden war. Dahin gingen die Geschwister Bardua oft, zu Kaffee oder saurer Milch, oder an schönen Abenden, das kalte Souper zu verzehren, das sie mitgenommen hatten. Sie gingen fröhlich hin und kamen fröhlich wieder- sie waren allesamt jung, in dem Alter, wo der Mensch erstaunlich viel von seinem Geschick erwartet und alle Tage auf etwas Angenehmes, Neues, Unbestimmtes hofft. Dergleichen dämmernde Perspektiven umgaben Caroline besonders auf diesem ersten Ausflug nach Coswig (Anhalt).
Die Schwägerin Marianne hatte ihr schon zuvor geschrieben, dass nächstes die Vermählung eines Prinzen von Rudolstadt mit einer verwandten Prinzessin im Schloß zu Coswig (Anhalt) gefeiert worden würde. Die Trauung fand im großen Saal des Schlosses statt. Die alten Fürstinnen waren im höchsten Glanz. Die Fürstin von Zerbst trug das Band und den Stern des Katharinenordens. Sie sahen alt und steif, aber sehr vornehm aus. Der Altar stand in der Mitte, ein Halbkreis bildete sich. In den Fenstern standen Zuschauer und weinten, der Gelegenheit gemäß. Probst Hennig hielt die Traurede. Dann zog man sich wieder steif und feierlich, in die inneren Gemächer zurück. Feierlichkeiten folgten nicht weiter.
Die beiden Fürstinnen bewohnten die vordere, nach der Straße hin liegende Zimmerreihe, die eine rechts, die andere links, getrennt durch jenen großen Saal, in dem die Trauung stattfand. Es war alles alt in dem Schloß, die Fürstinnen sowohl wie die Herren und Damen, die Lakaien, die Möbel, die Bilder, das Schloß selbst. Die Fürstinnen wünschten Carolines Bekanntschaft zu machen und sie wurde bei der Fürstin zu Zerbst zum Tee eingeladen. Die Zimmer der Fürstin waren sehr einfach eingerichtet, ohne Sofa. Obgleich der Achtzigern nahe, war es Prinzip der hohen Frau, sich nicht durch solche Weichlichkeit zu verwöhnen. Dennoch machten die Zimmer einen fürstlichen Eindruck. Es hingen viele gute Bilder an den Wänden. In dem Salon, wo der Tee getrunken wurde, nahm ein imposantes Porträt der Kaiserin Katharina von Rußland beinahe die ganze Mittelwand ein. Noch zwei andere kleinere sehr gute Porträts Peter des Großen und seiner Gemahlin hingen auf den Seiten. An dieses nähere Bekanntwerden mit dem Hofe knüpften sich Aufträge für Caroline. Sie bekam die Fürstin Christine zu malen, später den Hofmarschall mit seiner Frau und ein Hoffräullein. Es wurde ihr ein nach Norden gelegenes, freundliches Atelier im Schlosse eingerichtet. Die Fürstin Christine, die jüngere der Schwestern, war früher sehr schön gewesen und trug noch Spuren davon in ihrem wohlerhaltenen zarten Gesicht. Caroline malte sie sehr ähnlich, in weißem Anzug mit Spitzenschleier über der Haube, und gewann damit viel Beifall. Für die letzte Retouche der Hände wollte sie die Fürstin nicht mit einer nochmaligen Sitzung inkommodieren und bat die Hofmarschallin, dafür die ihrigen ein wenig Modell sitzen zu lassen. Die Hofmarschallin, eine muntere, menschlicher Eitelkeit noch nicht ganz abgewendete Frau, kann nicht widerstehen, im Hofzirkel damit ein wenig zu kokettieren. Mit dem Hoffräulein steht sie nicht besonders. Fräulein von Bärenfels sieht das Bild; sie findet es vortrefflich - bis auf die Hände! Diese Hände, muß sie gestehen, sind nicht die schönen Hände ihrer Fürstin. Caroline merkt den Zusammenhang, geht auf den Tadel ein und bittet die Fürstin noch einmal zu sitzen. Ohne die vollendeten Hände nur berührt zu haben, stellt das Bild noch einmal aus. Jetzt ist auch das Fräulein von Bärenfels, wie der ganze Hof, vollkommen befriedigt. Das Maleratelier brachte Leben in das stille Schloß. Die alten Fürstinnen fanden großes Vergnügen daran, Caroline während der Arbeit zu besuchen, und kamen gewöhnlich Hand in Hand durch die zusammenhängende Zimmerreihe daher geschritten. Es war ein sehr inniges Verhältnis zwischen den Schwestern. Wenn sie voneinander sprachen, sagten sie nicht anders als: ,,meine Schwester, das liebe Herz!
Herzog Franz von Dessau kam zuweilen nach Coswig, die Fürstinnen zu besuchen. Zum Zerbster Tor ritt er mit seinem Gefolge herein, an der Fassade des Schlosses hin und wenn er eine der Fürstinnen am Fenster erblickte, rief er laut hinauf-. ,,Guten Morgen, Frau Muhme! Na - soll ich nicht hinauf kommen? - Der hohe Gast sah Carolines Arbeiten mit Interesse und bot ihr an, wenn sie Wörlitz zu sehen wünsche, ihr dort alle Merkwürdigkeiten zeigen zu lassen, die sonst nicht leicht zugänglich waren. Infolgedessen ließen die Fürstinnen Caroline mit den Ihrigen eines schönen Nachmittags nach Wörlitz fahren. Im Gotischen Haus empfing sie Matthisson, der, von der herzoglichen Tafel kommend, noch in scharlachrotem Hofffrack, mit dreieckigem weißbefederten Hut erschien, ein steifer, ernster Mann mit seinen verbindlichen Formen. Er führte die kleine Gesellschaft durch alle Zimmer und Säle in mitteilsamer Unterhaltung über die reichen Kunstschätze, die dort zusammenstanden.
Caroline, welche nach Vollendung aller Aufträge 1811 wieder nach Hause zurückkehrte, blieb mit den dem kleinen Hofe in steter Verbindung. Zu den Liebhabereien jener Zeit gehörte es, das Miniaturbildnis eines Auges in kleine Bijouterien fassen zu lassen und Verwandte und Freunde damit zu beschenken. Die Fürstin Christine, von Caroline zuerst darauf gebracht, liebte es, solche Andenken auszuteilen, mit um so mehr Grund, als sie wirklich schöne Augen hatte. Caroline musste sie in vielen Exemplaren für sie malen, und wo sie später auch sein mochte, überall wird ihr das fürstliche Probeauge nachgeschickt, mit dem Auftrag ein neues Halbes Dutzend danach zu kopieren.
Quelle: Heimatliches Jahrbuch für Anhalt 1926
Bilder: "Die Schwestern Bardua" von Prof. Dr. Johann Werner