Carl Gustav Rudolf Oeser

Ein Ortsfremder, Herr Dr. Achim von Bories, Historiker, Journalist und Hermann-Cohen-Forscher aus Bremen, überreichte Herrn Pfarrer Lindemann Daten von einen Mann, der in Coswig aufgewachsen ist und eine außerordentliche Karriere vorzuweisen hat: Carl Gustav Rudolf Oeser. Geboren wurde er am 13. November 1858 als drittes von sieben Kindern des Webermeisters und Segeltuchfabrikanten Wilhelm Oeser und seiner Ehefrau Lina geb. Nathusius. Segeltücher waren damals ein gefragter Artikel, denn auch die Elbeschiffe wurden mit solchen ausgerüstet. Die Familie wohnte in der Schützenstraße (Puschkinstraße) 18 (alte Nummerierung), etwa zwischen der heutigen Sparkasse und der Einmündung in die Sebastian-Bach-Straße. Das Geburtshaus ist 1863 abgebrannt. Später finden wir sie Markt 9 und in der heutigen Schloßstrasse 20. Der junge Rudolf im Taufregister Rudolph geschrieben- besuchte hier die kurz zuvor eingerichtete Kirchschule, das heutige Museum. Das alte Schulhaus neben dem Kirchturm war Opfer einer Brandstiftung eines 12-jährigen Schülers geworden.   1872 wird er in der Sankt-Nicolai-Kirche konfirmiert, wo man ihm zum Schulabschluss seine erworbene Kenntnisse bescheinigt: Lesen: gut Schreiben: ziemlich Rechnen: sehr gut Religion: ohne Angabe Betragen: gut Welche höhere Schule er danach besuchte, muss noch ermittelt werden. Die Familie hat wahrscheinlich Mitte der 1870-iger Jahre Coswig verlassen, denn sie findet danach keine Erwähnung mehr. Die Geschäfte müssen schon vorher schlecht gelaufen sein, da 1867 berichtet wird, dass das Wohnhaus, Breiter Weg 57 (Markt 9), (übrigens das Nachbarhaus , in dem der junge Heinrich Berger seine erste musikalische Ausbildung erhielt), zwangsversteigert werden soll. Sicher hatte die beginnende Dampfschifffahrt die Nachfrage nach Segeltücher stark eingeschränkt. Nach der Schulzeit studierte er in Berlin Philosophie und Nationalökonomie. Seine berufliche Laufbahn begann 1892 bei der ?Frankfurter Zeitung?, wo er als Redakteur arbeitete und sich hier wirtschaftspolitischen Themen widmete (Zolltarif, Handelsverträge). Er blieb Mitarbeiter bis 1917. Danach wurde er Direktor der ?Ostsee-Zeitung? in Stettin. Durch seine fundierten politischen Artikel wurde die damalige Fortschrittspartei, bei der er auch Mitglied war, auf ihn aufmerksam und holte ihn 1902 in das preußische Abgeordnetenhaus nach Berlin. Er wohnte Wilhelmstraße 79. 1907-1912 war er auch Mitglied des Reichstages. Hier behandelte er mit Vorliebe Fragen des Eisenbahnwesens und wurde so zum Mitbegründer der Deutschen Reichsbahn AG. Die ?Weltbühne? bezeichnete Ihn in einer 1925 erschienene Abhandlung über neue Politikerköpfe als ?Vater der neuen deutschen Eisenbahnen?. Von nun an ging es steil bergauf: 1919 wurde er preußischer Minister für öffentliche Arbeiten, 1921 Landeshauptmann der Provinz Sachsen, im November 1922 Reichsinnenminister und 1923 Reichsverkehrsminister unter den Reichskanzlern Gustav Stresemann und Wilhelm Marx. Im September 1924 übertrug man ihm die Funktion eines Generaldirektors der Deutschen Reichsbahngesellschaft (Vorläufer der heutigen Deutschen Bahn AG), einen sehr einflussreichen und hochdotierten Posten, wenn man bedenkt, dass sein Jahresgehalt einschließlich Aufwandsentschädigung 100 Tausend Reichsmark betrug, das des Reichspräsidenten 180 Tausend Mark, sich aber der Reichskanzler mit ca. 53 Tausend Mark abfinden musste. In seiner Amtszeit wird eine Verordnung zur Schaffung der Deutschen Reichsbahn als Staatsunternehmen erarbeitet. Dies gelingt erst 1937. Er hatte auch großen Anteil bei Verhinderung der im Dawes-Plan (Festlegung über die deutschen Reparationszahlungen nach dem 1. Weltkrieg) vorgesehenen Verpfändung der gesamten Reichsbahn an die Reparationsgläubiger. Nach längerer Krankheit stirbt Rudolf Oeser am 3. Juni 1926 mit 68 Jahren in Berlin. Welche Hochachtung ihm vom Eisenbahnwesen entgegen gebracht wurde, erkennt man an den Gästen der Trauerfeier am 7. Juni im Verwaltungsgebäude der Deutschen Reichsbahn. So nahmen sämtliche 31 Eisenbahnpräsidenten daran teil. Gleichzeitig mit der Berliner Trauerfeier werden auch in den einzelnen Eisenbahndirektionen Gedenkfeiern abgehalten. Die Trauerrede hielt Reichskanzler Dr. Marx, der den sozialen Geist, mit dem Oeser sein Amt führte, würdigte. Ihm sei es zu verdanken , dass die Reichsbahn uneingeschränktes Eigentum des Reiches blieb. Leider ist in seinem Geburtsort von den großen Leistungen zu Gunsten der Bahn nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil, selten war es auf dem hiesigen Bahnhof trostloser, als zur heutigen Zeit. Quellen:

  • Lexikon der deutschen Geschichte, Stuttgart 1979
  • Geschichte der ?Frankfurter Zeitung, Frankfurt am Main 1911
  • Johannes Fischart: Neue Politikerköpfe, ?Die Weltbühne?, XXI Jg., Nr. 4, 27.Januar 1925
  • Anhaltische Elbezeitung, Coswig Nr., 128, 129, 131 vom 4., 5. und 8. Juni 1926
  • Akten der Sankt-Nicolai-Kirche Coswig (Anhalt) Horst Stübler

  Links

  • www.luise-berlin.de
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  • - Reichskanzler und Reichs-Verkerhrsminister 1919 - 1945
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